Im Einsatz über Europa

Der Jagdflieger Günther Scholz erinnert sich

"Im Einsatz über Europa" ist ein Zeitzeugenbericht eines Mannes, der ein wichtiges Kapitel deutscher Luftkriegsgeschichte hautnah miterlebt hat.

Günther Scholz, Jahrgang 1911, trat Anfang 1934 in die Marine ein und begann eine Offizierslaufbahn. Als Leutnant und Jagdflieger erlebte er anschließend den Aufbau der deutschen Luftwaffe.

1938 flog er an der Seite von Adolf Galland und Werner Mölders als Angehöriger der "Legion Condor" im Spanischen Bürgerkrieg und sammelte erste Kampferfahrungen.

Bei Beginn des Zweiten Weltkrieges war Scholz Oberleutnant und Staffelkapitän im JG 54. Er erlebte mit seiner Staffel den Polen- und Westfeldzug, die Luftschlacht um England, den Jugoslawienfeldzug, sowie den Krieg gegen die Sowjetunion.

1942 kam Scholz als Gruppenkommandeur im JG 5 an die Eismeerfront. 1943 übernahm er selbst die Führung des Geschwaders, welches unter schwierigsten klimatischen Bedingungen nördlich des Polarkreises große Erfolge erringen konnte. Den Krieg beendete Günther Scholz als Oberstleutnant und Jagdfliegerführer Norwegen.

Im Jahr 2014 gehörte Günther Scholz mit zu den letzten noch lebenden Angehörigen der "Legion Condor". Er war der letzte noch lebende ehemalige Geschwaderkommodore der Luftwaffe und der ranghöchste noch lebende ehemalige Wehrmachtsoffizier. Er war somit eine der letzten großen Persönlichkeiten, die noch selbst von ihrem Erleben berichten konnten. Seine Erinnerungen fanden in seinen umfangreichen Fotoalben eine große Unterstützung. Das macht das vorliegende Buch so interessant.

 

ISBN 978-3-00-027503-6

5. überarbeitete Auflage

413 Seiten, 331 bisher unveröffentlichte Fotos und Abbildungen, Hardcover, gebunden

27,90 Euro zzgl. Verpackung und Versand.

 

Auszug aus dem Inhalt

"...

Aus der Zeit unserer Flüge nach London ist mir ein Ereignis ganz besonders in Erinnerung geblieben. Wir hatten mal wieder einen schweren Luftkampf zu bestehen. Es war eine mächtige Kurbelei im Gange. Unbemerkt von mir konnte sich eine Spitfire hinter mich setzen. Gerade noch rechtzeitig wurde ich über Funksprech gewarnt: „Achtung Nummer eins, Indianer hinter Dir!“ Indianer waren die Decknamen für die Engländer. Die Engländer wiederum nannten uns Banditen. Ich fand unseren Begriff etwas vornehmer.

 

In dem Augenblick, wo ich die Warnung hörte, drehte ich mich um und sah ziemlich dicht hinter mir eine schießende Spitfire. Ich sah das gelbrote Mündungsfeuer der MG´s. Die Spitfire hatte davon vier, jeweils zwei in den Flächen. Ich flog zu dieser Zeit eine Messerschmitt mit einem Rückenpanzer aus Stahl in der Kabine, welcher am hinteren Teil des Kabinendaches befestigt war und von der Hüfte bis über den Kopf reichte. So weit ich mich heute erinnere, war unsere komplette Gruppe damit ausgerüstet. Später habe ich diese Rückenpanzer nicht mehr erlebt.

 

Der Engländer hatte gut getroffen. Ich sah nicht nur das Mündungsfeuer, sondern hörte auch in meinem Rücken Einschläge. Ohne die Panzerung wäre der Luftkampf damit zu Ende gewesen, so jedoch hinterließen die Treffer lediglich drei Dellen im Rückenpanzer.

 

Wir waren auf ungefähr 4.000 m Höhe. Intuitiv machte ich einen Abschwung nach unten und stürzte auf 3.000 m runter. Das alles spielte sich in Bruchteilen von Sekunden ab. Mein Glück war nun, daß der Engländer mir nicht folgte. Ich vermute, es handelte sich dabei um einen jüngeren, nicht so erfahrenen Flugzeugführer, sonst wäre er mir gefolgt. Oder aber er sah mich als bereits sicheren Luftsieg. In seinen Augen hatten seine Geschosse auch sehr gut getroffen. Er konnte durchaus annehmen, mich eventuell damit getötet zu haben. Den Sturzflug konnte er dahingehend interpretieren, daß die Maschine führerlos dem Boden entgegen trudelte.

 

Wie auch immer, für mich war dies ein unerhörter Glücksfall. Nachdem ich die Messerschmitt wieder abgefangen hatte, überprüfte ich meine Maschine auf Beschädigungen. Das Funksprechgerät funktionierte nicht mehr. Dieses saß hinten im Rumpf drin und die Geschosse der Spitfire dürften davon nicht mehr viel übrig gelassen haben. In meiner Kabine war es damit still geworden. Von dem ganzen Geschrei während der Luftkämpfe hörte ich nichts mehr. Auf der anderen Seite war ich nun ohne jede Verbindung zu meinen Leuten. Ich mußte ja wieder Anschluß finden.

 

Viel machen konnte ich nicht mehr. Das Ereignis hatte südöstlich von London stattgefunden. Die Luftkämpfe waren mit Sicherheit noch immer im Gange. Ich flog in Richtung Heimat. In der Nähe des Kanals bemerkte ich, wie meine Kühlstofftemperatur immer höher ging, scheinbar hatte auch die Kühlleitung etwas abbekommen. Ich drosselte den Motor. Hoffentlich sind nicht weitere Spitfires oder Hurricanes in der Nähe. Doch ich kam ungeschoren über den Kanal und konnte gut in Guines landen.

..."

 

 

Geboren wurde Günther Scholz am 8. Dezember 1911 in Breslau. Im Jahre 1927 zog er mit seinen Eltern nach Magdeburg, wo er 1933 auf dem dortigen Domgymnasium sein Abitur ablegte. Beruflich wollte der junge Scholz Ingenieur werden, wie auch sein Vater, aber auf Grund der wirtschaftlichen Situation in Deutschland entschied er sich, seine Liebe zur Fliegerei zum Beruf zu machen. Die spätere Luftwaffe gab es zu diesem Zeitpunkt noch nicht und so trat Scholz am 8. April 1934 als Offiziersanwärter in die Kriegsmarine ein. Der Jahrgang dieser sogenannten Crew 34 war bereits separat für den Aufbau der Luftwaffe vorgesehen. Nach seiner infanteristischen Grundausbildung und der gründlichen Friedensausbildung zum Offizier erhielt Scholz die Ausbildung zum Jagdflieger. Er absolvierte die Fliegerschule Salzwedel und erlebte den Aufbau der ersten Jagdverbände, in seinem Fall bei den Jagdgruppen Bernburg und Bad Aibling.

Im Frühjahr 1938 meldete sich Leutnant Scholz für den Dienst in der „Legion Condor“. Im Spanischen Bürgerkrieg sammelte er damit erste Kriegserfahrungen. Er flog in der 3. Staffel der Jagdgruppe der Legion, die in den ersten Wochen seines Einsatzes in Spanien noch von Adolf Galland und später von Werner Mölders geführt wurde. Nachdem die 3. / J 88 unter Galland Tiefangriffe zur Unterstützung der Erdkampftruppen geflogen hatte, wurde sie unter Mölders zur reinen Jagdstaffel. Auch Leutnant Scholz konnte im August 1938 erstmals einen Gegner im Luftkampf bezwingen. Für seinen Einsatz in Spanien wurde Scholz am 1. Juni 1939 neben spanischen Auszeichnungen mit dem Spanienkreuz in Gold mit Schwertern ausgezeichnet. 

Aus Spanien zurückgekehrt, wurde Scholz mit Wirkung zum 1. Oktober 1938 zum Oberleutnant befördert und er wurde nach Ostpreußen in die Jagdgruppe Jesau versetzt, der I. / JG 131. Mit dieser Einheit nahm er an der Besetzung des Sudetenlandes teil. Aus der I. / JG 131 wurde erst die I. / JG 130, dann die I. / JG 1 und schließlich entstand aus ihr heraus im Juli 1939 die I. / JG 21. In dieser wurde Oberleutnant Scholz zum Kapitän der 1. Staffel ernannt. Er führte seine Staffel mit Kriegsbeginn im September 1939 durch den Feldzug gegen Polen. Ihm selbst wurde am 17. September 1939 das EK II verliehen.

Mitte Oktober 1939 verlegte die I. / JG 21 an die deutsche Westgrenze. Ab dem 10. Mai 1940 nahm sie am Westfeldzug teil. In diesem errang Oberleutnant Scholz in den Luftkämpfen über Belgien und Nordfrankreich im Mai 1940 insgesamt vier Luftsiege, wofür ihm am schon nach seinem zweiten Luftsieg im Zweiten Weltkrieg am 25. Mai 1940 das EK I verliehen wurde.

Nach dem Ende der Kampfhandlungen in Frankreich wurde die I. / JG 21 zur III. / JG 54. Die Staffel von Oberleutnant Scholz wurde von 1. / JG 21 in 7. / JG 54 umbenannt. An der England gegenüberliegenden Kanalküste zog die deutsche Luftwaffenführung Ende Juli 1940  zehn Jagdgeschwader und drei Zerstörergeschwader zusammen, dazu kamen die Verbände der Kampf- und Sturzkampfflieger sowie der Aufklärer. Ziel war die Bekämpfung des zu dieser Zeit einzig noch verbliebenen Kriegsgegners. Die ersten Luftkämpfe über dem Kanal entwickelten sich ab Mitte August 1940 zur für beide Seiten verlustreichen später sogenannten Luftschlacht um England. In dieser erkämpfte Oberleutnant Scholz weitere vier Luftsiege. Nach nunmehr insgesamt 8 bestätigten Abschüssen wurde ihm am 28. September 1940 der Ehrenpokal für besondere Leistungen im Luftkrieg verliehen. Er gehörte damit zu den ersten Inhabern dieser neu gestifteten nicht tragbaren Auszeichnung. Scholz überstand die schweren Einsätze über Südengland unbeschadet, obwohl er mehrere Male mit Treffern in der eigenen Maschine heimkehrte. Ab Anfang September 1940 führte Scholz vertretungsweise die III. / JG 54 und damit zum ersten Mal einen größeren Verband im Luftkampf.

Nachdem die deutsche Führung Ende Oktober 1940 die Luftschlacht über England abgebrochen hatte, wurde die III. / JG 54 erst nach Holland und dann zur Auffrischung ins Reichsgebiet verlegt. Es folgte im Frühjahr 1941 ein zweiter Einsatz an der französischen Küste, dieses Mal zur Sicherung des Kriegshafens von Brest, und im April 1941 die Teilnahme am Feldzug gegen Jugoslawien.

Am 22. Juni 1941 begann der Krieg gegen die Sowjetunion. Von Ostpreußen aus führte Scholz seine 7. / JG 54 durch die Vormarschkämpfe des Sommers 1941 bis in den Raum Leningrad. Auf Grund der reichlich gesammelten Luftkampferfahrungen der vorangegangenen Kriegsjahre, konnte der Oberleutnant sein eigenes Abschußkonto in dieser Zeit schnell ansteigen lassen. Nachdem er am 21. Juli 1941 seinen insgesamt 20. Luftsieg erzielt hatte, reichte ihn der Kommodore des JG 54, Major Hannes Trautloft, zum Ritterkreuz ein. Eine Verleihung dieser hohen Auszeichnung an Günther Scholz erfolgte jedoch nicht, da genau zu dieser Zeit die dafür erforderliche Anzahl an Luftsiegen Stück für Stück erhöht wurde. Nach seinem 21. Luftsieg am 1. August 1941 mußte Scholz mit einem Treffer im eigenen Motor notlanden, wobei er eine Verletzung an der Wirbelsäule erlitt, die zu einer längeren Pause seines Fronteinsatzes führte. Mitte September 1941 kehrte Scholz an die Spitze seiner Staffel zurück. Er konnte an seine Erfolgsserie anknüpfen und ließ sein Abschußkonto bis Mitte Oktober 1941 auf insgesamt 26 bestätigte Luftsiege ansteigen.

Am 7. November 1941 wurde Scholz zum Hauptmann befördert. Einen Fronturlaub zur Weihnachtszeit nutzte er, um die Liebe seines Lebens zu heiraten. Noch in der Heimat wurde ihm mitgeteilt, daß er die IV. Gruppe des JG 1 übernehmen sollte. Aus dieser wurde später die III. / JG 5 und Hauptmann Scholz verlegte mit ihr im Frühjahr 1942 ans Eismeer. Hier führte er seine Gruppe zu Jagdeinsätzen gegen den sowjetischen Kriegshafen von Murmansk oder zu Begleiteinsätzen hinaus über das Eismeer. Nach seinem insgesamt 30. Luftsieg wurde Scholz am 8. September 1942 mit dem Deutschen Kreuz in Gold ausgezeichnet. Der Gruppenkommandeur sah seine Aufgabe nun nicht mehr darin, seine eigene persönliche Erfolgsliste weiter ansteigen zu lassen, sondern seine Gruppe insgesamt erfolgreich im Einsatz zu führen. Scholz entwickelte sich zu einem der angesehensten Verbandsführer innerhalb der Luftwaffe. Nachdem er mit Wirkung zum 1. April 1943 zum Major befördert worden war, übertrug man ihm am 1. Juni 1943 die Führung über das Jagdgeschwader 5. Am 1. März 1944 wurde er unter gleichzeitiger Beförderung zum Oberstleutnant zum Kommodore ernannt.

Mitte Mai 1944 wurde Scholz zum Jagdfliegerführer Norwegen ernannt. Nachdem seinem Nachfolger als Kommodore des JG 5, Major Heinrich Ehrler, der Vorwurf gemacht wurde, er habe die Versenkung des Schlachtschiffes „Tirpitz“ nicht verhindern können, übernahm Scholz zusätzlich zu seiner Aufgabe als Jagdfliegerführer auch wieder die Führung über die in Norwegen verbliebenen Verbände des JG 5. Mit Kriegsende im Mai 1945 wurde er in Norwegen kurzzeitig interniert und Ende November 1945 nach Deutschland entlassen. Nach einigen Monaten Aufenthalt in der Westzone schlug er sich im Februar 1946 zu seiner Frau nach Chemnitz durch, wo er sich eine neue zivile Existenz aufbaute.

Für Günther Scholz war die Zeit von 1934 bis 1945 stets nur ein Teil seines Lebens gewesen. Die Erinnerungen daran hielt er im Buch „Im Einsatz über Europa“ fest. Bis zum Ende seines langen Lebens erfreute sich Scholz einer beeindruckenden geistigen Frische und er stand allen Interessierten zu einem Gespräch zur Verfügung. Der Mann, der zu dem ganz kleinen Kreis von Jagdfliegern gehörte, die während des Krieges, ohne eigene besonders hohe Abschußzahlen zu haben, eine sehr steile Karriere durchlief und höchste Führungspositionen innerhalb der Jagdwaffe erreichte, blieb dabei immer bescheiden gegenüber seiner eigenen Person. Als Günther Scholz am 24. Oktober 2014 wenige Wochen vor seinem 103. Geburtstag verstarb, war er mit seinem Dienstgrad Oberstleutnant seit November 2010 der ranghöchste noch lebende ehemalige Luftwaffen-Offizier gewesen. Er war der letzte verbliebene noch lebende Kommodore eines deutschen Geschwaders aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, der noch von seinen Erlebnissen berichten konnte. Darüber hinaus war er der letzte noch lebende Träger des Spanienkreuzes in Gold mit Schwertern, der letzte noch lebende Jagdflieger der "Legion Condor" und inzwischen einer der letzten noch lebenden Angehörigen der Legion überhaupt.

 

 

 

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