Mit Pak und Hetzer Anekdoten des Panzerjägers Heinz Kühn aus Krieg und Gefangenschaft
Heinz Kühn plante nach seinem Schulabschluß eine Laufbahn als Gemeindebeamter, zuvor mußte er jedoch noch seine Allgemeine Wehrdienstpflicht ableisten. Als er im Herbst 1938 in die Wehrmacht eintrat, begannen sich die Wolken am politischen Himmel Europas zu verfinstern. Über sein eigenes Schicksal konnte Kühn nicht mehr verfügen, er geriet in den Strudel der Ereignisse. Im Polenfeldzug erlebte er seinen ersten Kriegseinsatz. Als einfacher Panzerjäger und Richtschütze erwarb er sich das EK II. Nach seiner Beförderung zum Gefreiten wurde er schnell für die Laufbahn eines Reserveoffiziers bestimmt. Den Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion erlebte Kühn bereits als Leutnant und Zugführer. Es folgten die Vormarsch- und Winterkämpfe 1941/42. Nach dem Verlust aller Geschütze im Infanterieeinsatz mit dem EK I ausgezeichnet, kam es ab Sommer 1942 zur Neuaufstellung seiner Division in Frankreich. Zum Oberleutnant befördert, erlebte Kühn ab Januar 1943 ununterbrochen bis Kriegsende den Einsatz an der Ostfront. Ab Herbst 1943 war er Kompanieführer, erst noch ausgerüstet mit Panzerabwehrgeschützen im motorisierten Zug, später mit dem Panzerjäger "Marder III" und schließlich mit dem Jagdpanzer "Hetzer". In dieser Position erlebte er die Abwehr- und Rückzugskämpfe in der Ukraine, im Baltikum und die Materialschlachten im Kurland-Kessel. Bei Kriegsende Hauptmann und ausgezeichnet mit dem Deutschen Kreuz in Gold, geriet Kühn für 3 1/2 Jahre in sowjetische Gefangenschaft. In diesem Buch erinnert sich Kühn an die prägendsten Erlebnisse aus dieser Zeit. Es sind die Anekdoten eines Panzerjägers aus Krieg und Gefangenschaft.
ISBN 978-3-00-051856-0 4. überarbeitete Auflage 308 Seiten, 110 bisher unveröffentlichte Fotos und Abbildungen, Hardcover, gebunden
25,90 Euro
Auszug aus dem Inhalt „ ... 10. März 1942 Wir konnten am Morgen noch nicht ahnen, daß auch dieser Tag für uns ein schwarzer werden würde. In der Nacht hatten wir noch einigermaßen gut geschlafen, mußten jedoch gegen Mittag einen schweren Feuerüberfall der Russen aus allen Rohren über uns ergehen lassen. Sechs russische Panzer vom Typ T-34 überfuhren unsere Stellungen und Schneelöcher und schossen auch noch die wirklich allerletzten Reste der Katen zusammen, jetzt gab es echt nur noch Schutt. Es gab starke eigene Verluste. Unteroffizier Raab und Gefreiter Herzsprung wurden durch die Explosion liegengelassener deutscher Infanteriemunition verwundet oder verschüttet. In einer der Katen war nämlich von der Infanterie ein Korb mit Munition zurückgelassen worden. Es war einer dieser geflochteten Munitionskörbe gewesen, in denen sich in abgetrennten Abteilungen insgesamt 5 Granaten mit Kartusche befanden. In diese noch scharfen Geschosse war eine russische Granate eingeschlagen und explodiert. Dadurch waren der Unteroffizier und der Gefreite verschüttet worden. Auch andere Kameraden wurden an anderer Stelle durch einstürzende Restwände infolge Panzerbeschuß verschüttet und zum Teil schwer verletzt. Ich selbst war ebenfalls an der Hand leicht verwundet worden. Darauf konnte ich jetzt aber nicht achten. Ich buddelte und wischte mir hin und wieder das Blut von der Hand. Raab und Herzsprung konnte ich mit eigenen Händen aus den Trümmern befreien. Herzsprung war durch einen Granatsplitter am Bein schwer verwundet worden und konnte nicht mehr laufen. Wir verbanden ihn notdürftig. Sanitätszeug hatten wir in diesem Moment nicht bei uns, so nahmen wir irgendwie etwas Stoff und umwickelten damit seinen Oberschenkel, um die Blutung zu stillen. Dies gelang uns jedoch nicht. Er blutete auch weiterhin. Ich mußte mich also unverzüglich entscheiden, was hier noch getan werden konnte. Und weil ich nicht erkennen konnte, ob es sich bei der schweren Verletzung "nur" um eine Fleischwunde oder gegebenenfalls um eine Verletzung der Knochen handelte, befahl ich dem Gefreiten Herzsprung, sich kriechend durch den Schnee in die eigene Linie zum Kompaniegefechtsstand zu retten. Dort würde man ihm auf den Fall weiterhelfen. Da Herzsprung auf meinen Befehl überhaupt nicht reagiert, sondern weiter jammerte, er habe starke Schmerzen, könne nicht mehr laufen, komme vielleicht in russische Gefangenschaft oder werde sogar erschossen, wiederholte ich meinen Befehl, daß er sich sofort nach hinten begeben solle. Wie bereits erwähnt, war das Gelände völlig eben. Alles war von hohem Schnee bedeckt und es gab weder einen Strauch oder Baum noch ein Haus als Deckung. Aber es half trotzdem nichts, ich konnte Herzsprung bei dieser Verletzung an Ort und Stelle nicht mehr helfen. Wir hatten in diesem Falle auch gar keine Möglichkeit einen Sanitäter zu holen, um den Oberschenkel richtig zu verbinden. Man hätte ihm dann auch die Hose ausziehen und den Verband um das ganze Bein legen müssen. Dafür waren uns in dieser Situation aber die Hände gebunden. Aus dieser Tatsache entschloß ich mich, Herzsprung noch einmal zu befehlen, sich nach hinten zu begeben. Da der Gefreite auch weiterhin diesen Befehl ignorierte und er nur immer wieder jammerte, über Schmerzen klagte und anderes Zeug redete, gab ich ihm letztmalig den Befehl, sich von hier zu entfernen. Als er auch diesen letzten Befehl nicht ausführte, habe ich leider mit einem kräftigen Fußtritt in das Gesäß nachhelfen müssen. Da wir weiterhin von den T-34 beschossen wurden, konnte ich mich nicht weiter um Herzsprung kümmern. In einer Feuerpause stellte ich auf einmal fest, daß der Gefreite nicht mehr da war. Es war mir durchaus klar, daß mein Tritt eine Tätlichkeit war, zu der ich eigentlich nicht befugt war. Aber ich dachte mir, vielleicht kommt er durch und das (unangebrachte) Mittel heiligt den Zweck. Einige Wochen später war in meiner Feldpost dann ein an mich gerichtetes Päckchen, es war von der Tante dieses Gefreiten Herzsprung. Auf diese Weise erfuhr ich, daß er es tatsächlich, trotz hohem Blutverlust und starken Schmerzen, bis zum Kompaniegefechtsstand geschafft hatte. Von dort war er ins Lazarett gekommen und wieder genesen. Gott sei Dank war es nur eine große Fleischwunde gewesen. Mit dem Päckchen wollte er sich bedanken. Er bedankte sich damit für den von mir erhaltenen Tritt. Was später aus ihm geworden ist, das ist mir nicht bekannt. Ich weiß nur, daß er später sogar wieder kriegsverwendungsfähig war. Während der Gefreite Herzsprung also versuchte, sich nach hinten zu schleppen, blieb ich weiter vorn auf der Anhöhe. Ich war weiterhin an dieser zerstörten Kate, Unteroffizier Raab war plötzlich nicht mehr da, er war weg und ich wußte nicht wieso. So fing ich wieder an zu buddeln, um mir ein wenig Deckung zu verschaffen. Ich schuf mir eine kleine Kuhle, in die ich mich im Notfall werfen konnte. dieser Fall trat schneller ein, als mir lieb war. Auf einmal stand ein russischer Panzer vom Typ T-34 unmittelbar neben mir. Ich hatte sein Herannahen gar nicht bemerkt. Aber wahrscheinlich war auch ich nicht gesehen worden, da ich vom Panzer aus hinter dem Schutthaufen war. Als ich ihn nun bemerkte, stand er mit seiner Breitseite neben mir, und konnte mich durch den Sehschlitz an der Frontseite nicht sehen. Wenn ich in diesem Moment eine Hafthohlladung oder eine geballte Ladung gehabt hätte, ... aber leider. Dies war eine perfekte Gelegenheit, einen Panzer im Nahkampf zu vernichten, nur leider hatte ich nicht die dafür geeigneten Mittel zur Hand. Ich lehnte mich zwar an den Panzer, beobachtete die noch geschlossene Einstiegsluke, ob sie eventuell geöffnet wurde, wärmte mich am Motor, blieb aber im toten Winkel, bis der T-34 weiterfuhr. Ich hatte wieder mal Glück gehabt! Gegen 15.00 Uhr zog sich das Bataillon, in dem wir als Infanteristen mit eingesetzt waren, unter starkem Feindbeschuß aus dem völlig zerstörten Elisawetowka zurück. Am Abend meldete ich mich beim Regimentsstab 204 und wurde mit einigen Männern der 12. Kompanie / IR 204 unterstellt. ... "
Heinz Kühn wurde am 15. August 1920 im sächsischen Wernsdorf bei Glauchau geboren. Nach dem Besuch der Beamtenschule in Geyer wollte er die Laufbahn eines Beamten einschlagen, doch zuvor mußte er seine Reichsarbeitdienstpflicht und seine Wehrdienstpflicht ableisten. In die Wehrmacht trat Kühn am 1. Oktober 1938 ein, wo er in Borna in der Panzerabwehrabteilung 24 eine friedensmäßige Ausbildung zum Panzerjäger durchlief. Als am 1. September 1939 der Krieg begann, hatte Kühn keine andere Wahl. Er konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, daß es mehr als 9 Jahre dauern sollte, bis er wieder zu Hause sein sollte. Für den Feldzug gegen Polen wurde seine 2. Kompanie der Panzerabwehrabteilung 24 der 10. Panzerdivision unterstellt. Beim Kampf um die Zitadelle von Brest-Litowsk erlebte Kühn seine Feuertaufe. Dabei konnte er sich als Richtschütze an der 3,7-cm-Pak bewähren und ihm wurde am 22. Oktober 1939 das Eiserne Kreuz II. Klasse verliehen. Schon zuvor war er am 22. September 1939 zum Gefreiten befördert worden. Man hatte inzwischen seine Eignung für eine Laufbahn als Reserveoffizier erkannt, und so folgte mit Wirkung zum 1. April 1940 seine Beförderung zum Unteroffizier. Während seine Einheit ab dem 10. Mai 1940 am Westfeldzug teilnahm, absolvierte Kühn die Waffenschule Wünsdorf. Zum 1. August 1940 erhielt er die Beförderung zum Feldwebel und am 8. August 1940 wurde er zum Offiziersanwärter ernannt. Nachdem er alle Lehrgänge erfolgreich abgeschlossen hatte, wurde er Ende Oktober 1940 in die Panzerjägerabteilung 257 versetzt. Hier erreichte ihn die Beförderung zum Leutnant d.R., die zum 1. November 1940 wirksam wurde. Die Panzerjägerabteilung 257 gehörte zur 257. Infanteriedivision, mit der Leutnant Kühn ab dem 22. Juni 1941 die Vormarschkämpfe während des Feldzuges gegen die Sowjetunion im Südabschnitt der Ostfront erlebte. In den schweren Winterkämpfen 1941/42 verlor seine Kompanie alle Geschütze und Kühn führte als Zug- und Kompanieführer verschiedene Einheiten im reinen Infanterieeinsatz. In dieser Verwendung erlebte er die Frühjahrsschlachten im Großraum Charkow, bei denen er sich das Eiserne Kreuz I. Klasse verdiente, welches ihm am 26. März 1942 verliehen wurde. Am 6. Mai 1942 erhielt er auch das Sturmabzeichen. Kühn blieb das ganze Jahr 1942 ununterbrochen im Einsatz im Südabschnitt der Ostfront. Mit Wirkung zum 1. November 1942 stieg er zum Oberleutnant d.R. auf und ab dem 3. Januar 1943 führte er die 3. Kompanie der Panzerjägerabteilung 257. Aus ihr wurde im März 1943 die 2. Kompanie der Schnellen Abteilung 188, die im Rahmen der 88. Infanteriedivision an den Abwehr- und Rückzugskämpfen bis zum Dnjepr teilnahm. Im November 1943 wurde die Kompanie von Kühn zur 2. Kompanie der Panzerjägerabteilung (SF) 731. Nunmehr ausgerüstet mit dem Panzerjäger 38 (t) „Marder“ erlebte der Oberleutnant die weiteren Kämpfe im Südabschnitt bis zum Sommer 1944. Im Juli 1944 verlegte Kühn mit den Resten seiner Kompanie nach Ostpreußen, wo die Abteilung zur Heeres-Panzerjägerabteilung 731 umgegliedert und mit dem Jagdpanzer 38 (t) „Hetzer“ ausgerüstet wurde. Wenige Wochen später wurde die Abteilung an die ins Wanken geratene Front der Heeresgruppe Nord verlegt. Gemeinsam mit dem Großteil der Heeresgruppe wurde die Heeres-Panzerjägerabteilung 731 in den folgenden Kämpfen nach Kurland abgedrängt und von der übrigen Front abgedrängt, die die Rote Armee weiter nach Westen drängte. Die in Kurland eingeschlossenen Verbände erwehrten sich ab Herbst 1944 in sechs von den Sowjets mit großem Personal- und Materialaufwand geführten Kurlandschlachten dem Ansturm der Roten Armee, wobei die Frontlinien immer weitestgehend gehalten werden konnten. In diesen Kämpfen konnte Oberleutnant Kühn mit seinen „Hetzern“ mehrfach erfolgreiche Gegenstöße führen und Einbrüche in die eigene Hauptkampflinie bereinigen. Dafür wurde ihm am 20. Januar 1945 das Deutsche Kreuz in Gold verliehen. Seit dem 20. November 1944 trug er auch die Nahkampfspange in Bronze und am 1. März 1945 kam zu seinen Auszeichnungen noch das Verwundetenabzeichen in Silber dazu. Die Beförderung zum Hauptmann, die rückdatiert auf den 1. Oktober 1944 mit einem Rangdienstalter auf den 1. April 1944 wirksam wurde, erreichte ihn bis Kriegsende nicht mehr. Am Tag der Gesamtkapitulation war die Heeresgruppe Kurland unbesiegt. Kühn ließ seine Kompanie antreten und die schweren Waffen vernichten. In neuen Uniformen, frisch rasiert und blitzblank geputzt trat er mit seinen Leuten am folgenden Tag den Weg in die Gefangenschaft an. Für ihn selbst dauerte sie bis Ende Dezember 1948. Erst jetzt konnte der hochdekorierte Hauptmann, der bei Beginn des Krieges einfacher Panzerjäger gewesen war, in die Heimat und zu seiner Familie zurückkehren. Beruflich fand er eine Anstellung bei der Sparkasse. In ihr blieb er über die kommenden Jahrzehnte tätig, bis Kühn im Jahr 1985 in den wohlverdienten Ruhestand gehen konnte. Zu diesem Moment konnte er noch nicht wissen, wie aktiv er gerade in seinem letzten Lebensjahrzehnt noch werden sollte. Heinz Kühn verstarb am 28. September 2017.
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